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PDF LINK70 Jahre AFuG
Vor 70 Jahren: Erst Backsteinaktion, dann Bundesrepublik
Ich schätze, wir sind zu jung, um uns persönlich an die revolutionäre Aktion unserer Amateurfunk-Väter erinnern zu können: Die Backsteinaktion zur Durchsetzung des Amateurfunkgesetzes.
Ein paar Daten vorweg: Der 7. September 1949 war der Tag der Konstitution des Deutschen Bundestages und des Bundesrates in Bonn. Das Grundgesetz war davor am 23. Mai verkündet worden, was als Gründungsdatum der Bundesrepublik gilt. Unser Amateurfunkgesetz in heutiger Fassung stammt zwar von 1997 (mit letzter Aktualisierung vom 4.11.2016), jedoch ist dieses AFuG nur die Neufassung jenes grundlegenden Amateurfunkgesetzes, das bereits am 14. März 1949 in Kraft trat.
Warum ist die zeitliche Abfolge - erst AFuG, dann übrige Gesetzgebung - für den Amateurfunk in Deutschland so wichtig?
Wie wir wissen, ist das AFuG nicht im Fernmeldeanlagengesetz (FAG) der Bundesrepublik integriert worden. Auch gegenüber der jüngsten Fassung des FAG, dem 1997 / 2002 abgefassten sog. Telekommunikationsgesetz - TKG - konnte sich das AFuG behaupten.
Ursache für die Eigenständigkeit ist, dass das AFuG älter ist als das FAG bzw. das heutige TKG. Das AFuG gilt als „Lex specialis”. Ein „Lex specialis” sticht immer allgemeine Gesetze. Das AFuG ist also dem Telekommunikationsgesetz überlegen. Das heißt für uns, im Streitfall bzw. Zweifelsfall entscheidet das Amateurfunkgesetz.
Der Vorteil eines überlegenen „Lex specialis” mag den Schöpfern unseres Amateurfunkgesetzes in den Jahren 1948 und 1949 gar nicht so im Bewusstsein gewesen sein. Oder doch? Deutsche Funkamateure hatten in der nationalsozialistischen Zeit schlechte Erfahrungen gemacht. Der Amateurfunk war damals innerhalb des FAG geregelt; die Nazis konnten recht willkürlich mit unseren Interessen umgehen.
Auf jeden Fall ging es in den Jahren nach dem II. Weltkriegs darum, endlich wieder legal funken zu dürfen! Unseren Vätern war klar, dass nach Konstituierung der Bundesrepublik für die Regierung und den Bundestag so viel Gesetzesarbeit anstehen würde, dass an ein Gesetz für Funkamateure so schnell nicht wird zu denken sein. Eile war geboten!
Tatsächlich wurden vom Vorläuferparlament, dem sogenannten Wirtschaftsrat (bestehend aus Delegierten der Westzonen-Länder) Gesetze und Durchführungsverordnungen abgefasst, wenn auch unter einem Genehmigungsvorbehalt der Militärregierung in Frankfurt am Main. (In der sowjetischen Zone SBZ/DDR spielte sich anderes ab.) Einige der damaligen, von diesem Wirtschaftsrat beschlossenen Gesetze, darunter eben unser Amateurfunkgesetz, haben bis heute Bestand. Und der Deutsche Amateur-Radio-Club DARC verteidigt die Eigenständigkeit auch bei jeder anstehenden Novelle des FAG/TKG.
Das AFuG von 1949 umfasste auf einer einzigen DIN A4-Seite acht kurze Paragraphen; die 1997 beschlossene Novellierung steht auf vier Seiten mit 13 Paragraphen. Letztere kann auf der Homepage der Bundesnetzagentur nachgelesen werden.
Wie aber hatten die Funkamateure 1949 ihrem dringenden Wunsch nach einer Genehmigung des Amateurfunkgesetzes noch vor Gründung der BRD Nachdruck verliehen?
Gut, man kehrte den Internationalen Fernmeldevertrag von Atlantic City 1947 heraus. Der Ausschuss für Post- und Fernmeldewesen im Wirtschaftsrat fügte dem Ansinnen der drängelnden Funkamateure eine Begründung hinzu. Die „Schwarzfunkerei” steckte den Behörden in der Nase. Aber wie konnte der Wirtschaftsrat, der sich um Hungersnöte und wirklich andere, rudimentäre Dinge kümmern musste, zu einer beschleunigten Gesetzgebung bewegt werden...?!
Die Backsteinaktion.
Unsere Väter gaben sich als Demonstranten! Sie beschlossen, jeder Funkamateur solle am 15. Januar 1949 dem Vorsitzenden des Wirtschaftsrates „einen Backstein zur Untermauerung des Amateurfunkgesetzes” senden. Die Post musste extra LKWs einsetzen, um all die Backsteine ausliefern zu können. Wie das anschließend in der Hauspoststelle ausgesehen haben mag, kann sich jeder vorstellen.
Die Aktion zeigte durchschlagende Wirkung. Noch im März 1949 konnten 700 Funkamateure ihre Zulassung entgegen nehmen. 70 Jahre später sind in Gesamtdeutschland 72 000 Rufzeichen zugeteilt, darunter rund 65 000 individuelle Zulassungen.
Aus Anlass des 70jährigen Jubiläums sind noch bis 24. Januar 2020 Amateurfunkstationen mit dem Sonderrufzeichen DL 70 AFUG aktiv.
Wer noch die inzwischen antiquarische „Starthilfe für Funkamateure” in seinem Bücherregal stehen hat (herausgegeben vom ersten Präsidenten des DARC, Karl Schultheiß, DL1QK), findet auf einer Doppelseite links das historische erste Amateurfunkgesetz sowie rechts einen Auszug aus der Vollzugsordnung mit Definitionen zum Amateurfunkdienst.
Tja, so kurz, so einfach. Erinnert fast an die „10 Gebote”. Die waren ehemals auch nur auf zwei Gesetzestafeln zu lesen.